Erwin Lahousen, Edler von Vivremont
| * 25. Oktober 1897, Wien + 24. Februar 1955, Innsbruck |
Erwin Lahousen war der Sohn des Feldmarschalleutnants im
österreichisch-ungarischen Heer Wilhelm Carl Lahousen und dessen Frau Louise. Er
besuchte vier Klassen Untergymnasium, drei Jahre die Militärische
Ober-Realschule und kriegsbedingt nur zwei Jahre die Theresianische
Militärakademie in Wiener Neustadt. Nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurde
er am 18. August 1915 als Leutnant zum oberösterreichischen k.u.k.
Infanterie-Regiment Nr. 14 nach Linz ausgemustert. In diesem Regiment wurde er
als Zug- und Kompanieführer eingesetzt und am 25. Mai 1916 bei der Erstürmung
des Monte Cimone durch einen Lungensteckschuss lebensgefährlich verwundet. Nur
einer riskanten Operation durch den berühmten oberösterreichischen Chirurgen Eiselsberg verdankte
er sein Überleben. Dennoch wartete er seine vollständige Genesung nicht ab,
sondern ersuchte um neuerliche Einteilung bei einem Kampftruppenteil an der
Front. So wurde er im August 1917 an die Südfront abkommandiert. Nach seiner
Genesung kehrte er in sein Regiment zurück, in dem er am 1. Mai 1917 zum
Oberleutnant befördert wurde. Am 8. September 1917 erkrankte er infolge einer
Gasvergiftung an einer zentralen Lungenvergiftung. Auch nach dieser Genesung
kehrte er an die Front zurück und wurde im Abschnitt der 50.
Infanterie-Truppendivision eingesetzt. Für seine Verdienste wurde er mit
dem Militärverdienstkreuz mit Schwertern und Kriegsdekoration,
dem Karl-Truppenkreuz, der Verdienstmedaille und der hessischen
Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Nach Kriegsende kehrte er mit seiner Division
nach Wien zurück, wodurch er sich der italienischen Gefangenschaft entziehen
konnte. Durch seine Kriegserlebnisse war er in der Folgezeit ein entschiedener
Kriegsgegner.
Am 1. Januar 1919 wurde Erwin Lahousen als Oberleutnant in die Volkswehr, dem
ersten provisorischen Heer der Republik Deutsch-Österreich, übernommen. Er war
Zugs-Kommandant der Depot-Wachen Korneuburg und Kaiserebersdorf. Anschließend
wurde er in das Berufsheer der Ersten Republik übernommen und am 30. Mai 1921
nach Linz und 1922 nach Freistadt versetzt. Am 1. Mai 1925 folgte seine
Beförderung zum Hauptmann. 1929 absolvierte er einen Heerespsychotechnischen
Kurs und ab 1930 seine dreijährige Ausbildung für den höheren Dienst
(Generalstabsausbildung), die er als zweitbester seiner Klasse von 200
Teilnehmern abschloss. Am 25. August 1933 wurde er zum Major befördert. Nach der
Kommandierung zu verschiedenen Einheiten folgte zum 1. Januar 1935 seine
Versetzung in das Verteidigungsministerium. Hier leitete er bis 1938 de Evidenz-
und Informationsdienst, wobei er auftragsgemäß auf der Basis des geheimen
Zusatzabkommens zum Staatsvertrag vom 11. Juli 1936 gegen
die Tschechoslowakei nachrichtendienstlich zusammenzuarbeiten und die Berichte
durch den deutschen Militärattaché, Generalleutnant Wolfgang Muff,
weiterzuleiten hatte. Am 8. Juni 1935 wurde er zum Oberstleutnant befördert.
Nach der Übernahme in die deutsche Wehrmacht leitete Oberstleutnant i.G. von
Lahousen ab dem 1. Januar 1939 die Abteilung II des Amtes Ausland/ Abwehr. Am
25. und 26. August 1939 war er mit der Besetzung des Jablunkapasses, einem
Kommandounternehmen im Vorfeld des Polenfeldzuges, beauftragt. Als im Laufe des
Kriegs alle Proteste der Angehörigen des Amtes Ausland/Abwehr gegen die
Verbrechen des deutschen Militärs ignoriert wurden, entschlossen sich Canaris
und Lahousen, die Bestrebungen für ein Attentat auf Hitler, verbunden mit einem
Sturz des NS-Systems unter Verwendung der modifizierten Planungen der Operation
Walküre, aktiv zu unterstützen. Canaris befürwortete eine Verhaftung Hitlers,
ließ Lahousen mit seinen Attentatsvorbereitungen aber gewähren. Als Canaris am
7. März 1943 in Begleitung von Lahousen und Hans von Dohnanyi zu einer
Besprechung in das Hauptquartier der Heeresgruppe Mitte nach Smolensk flog,
gelang es Lahousen, eine Kiste mit englischem Sprengstoff und lautlosen
englischen Zündern für ein Attentat auf Hitler mitzunehmen. Oberst Henning von
Tresckow und Oberleutnant Fabian von Schlabrendorff präparierten den Sprengstoff
nach Versuchen so, dass er einem Paket mit zwei Flaschen glich. Am 13. März 1943
übergab Schlabrendorff das Paket dem unwissenden Oberst Brandt, der in Hitlers
Flugzeug mitflog. Das Attentat scheiterte jedoch aus technischen Gründen. Auch
Lahousens Möglichkeiten, Widerstand zu leisten, neigten sich dem Ende zu. Als
Oberst i. G. hatte er obligatorisch vor der Ernennung zum General einen
sechsmonatigen Fronteinsatz zu absolvieren, weshalb er am 1. August 1943
offiziell die Leitung der Abteilung II an Oberst Wessel Freytag von Loringhoven abgeben
musste. Anschließend übernahm Lahousen an der Ostfront das Kommando über die
Grenadierregimenter 96 und später 4 sowie ab Januar 1944 über das Jägerregiment
41 (L). Im Verlauf der Kämpfe während der russischen Sommeroffensive
1944 erhielt Lahousens Gefechtsstand am 19. Juli 1944 einen Volltreffer, bei dem
er schwer verwundet wurde. Deshalb wurde er als frontuntauglich in
die Führerreserve versetzt, mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse und
dem Deutschen Kreuz in Gold ausgezeichnet und am 1. Januar 1945 mit
zum Generalmajor befördert. Seine Mitgliedschaft im Widerstand war infolge
seiner Frontverwendung von der Gestapo und dem SD unbemerkt geblieben. Am 9. Mai
1945 geriet von Lahousen in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Ab dem 30.
November 1945 sagte er als einziger Kronzeuge der Anklage in Nürnberg im Rahmen
des Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher aus. Nach seiner Entlassung aus
der amerikanischen Kriegsgefangenschaft am 4. Juni 1947 zog sich von Lahousen
nach Seefeld in Tirol zurück. Am 18. Mai 1953 heiratete er Stefanie
Neumann-Pintaric, die Witwe des österreichischen Staatssekretärs Znidaric. Es
war beireits seine zweite Ehe. Er zog mit seiner Frau nach Innsbruck. Aus der
Ehe gingen drei Kinder hervor.
Literatur und Quellen:
Ottomar Krug: Die Generale der Wehrmacht 1918 - 1945, Bundesarchiv / Militärarchiv Sig MSG 109/10849
Karl Glaubauf, Stefanie Lahousen: Generalmajor Erwin Lahousen, Edler von Vivremont. Ein Linzer Abwehroffizier im militärischen Widerstand. LIT Verlag, Berlin, Hamburg, Münster, 2005
Harry Carl Schaub: Abwehrgeneral Erwin Lahousen. Der erste Zeuge beim Nürnberger Prozess, Böhlau 2015