Raeder, Dr. phil. h.c. Erich Johann Albert

 

* 24. April 1876, Wandsbek

† 6. November 1960, Kiel

 

 

Erich Raeder trat am 16. April 1894 als Kadett in die kaiserliche Marine ein. Der Sohn des Geheimer Studienrat und Direktor eines Realgymnasiums in Grünberg, Hans Raeder und seiner Ehefrau Gertraud, geb. Hartmann, absolvierte seine Grundausbildung und anschließend seine Bordausbildung auf dem Schulschiff SMS Stosch. Ab dem 18. April 1895 wurde er dann für ein Jahr auf dem Schulschiff SMS Gneisenau eingesetzt. Dieses Kapitel begann mit Übungen in der Nordsee. Am 13. Mai 1895 wurde er zum See-Kadett befördert. Im Sommer 1895 folgten erneute Übungen in der Nordsee und die Teilnahme an den jährlichen Flottenmanövern innerhalb der III. Division. Während der Übungen kollidierte die SMS Gneisenau am 24. August 1895 mit dem dänischen Schoner Delphin vor Horns Rev und konnte nur drei Männer aus ihrer Besatzung retten, bevor dieser sank. Ab dem 28. September 1895 startete die jährliche Winterausbildungsfahrt nach Westindien. Stationen waren Charlotte Amalie, wo die Besatzung der Gneisenau bei Löscharbeiten im Hafen half, und Kuba. Am 18. März 1896 kam das Schiff wieder in Kiel an. Raeder verließ es, bevor es für die nächste Ausbildungsfahrt nach Bergen ablegte. Ab dem 15. April 1896 besuchte er die Marineschule und absolvierte mehrere Spezialkurse. Nach dem 10. Oktober 1897 wurde er dann auf verschiedenen Kreuzern als Signaloffizier eingesetzt. Nach dem Bestehen der Seeoffiziersprüfung wurde er am 25. Oktober 1897, mit Auszeichnung, zum Unterleutnant zur See befördert. Zu den Schiffen, auf denen er eingesetzt wurde, gehörten die Panzerkorvette SMS Sachsen, die Panzerkorvette SMS Baden und dann für längere Zeit der Große Kreuzer SMS Deutschland. Mit dieser ging er mit dem Flagschiff des Kreuzergeschwaders nach Ostasien. Während seiner Zeit auf dem Großen Kreuzer wurde er auch als Signaloffizier bei der II. Division des Kreuzergeschwaders verwendet. Durch Umbenennung seines Dienstgrades wurde er ab dem 1. Januar 1899 zum Leutnant zur See ernannt. Nach der Ablösung von Vizeadmiral Otto von Diederichs wurde er ab dem 14. April 1899 für etwa ein halbes Jahr als Adjutant vom Chef der II. Division des Kreuzergeschwaders an Bord vom Große Kreuzer SMS Deutschland verwendet. In Hongkong ging er dann im November 1899 von Bord und reiste mit dem französischen Dampfer Sydney über Tsingtau wieder nach Deutschland. Dort wurde er ab dem 5. Januar 1900 bis Ende März 1900 als Kompanieoffizier bei der I. Matrosendivision in Kiel eingesetzt. Im ganzen April 1900 wurde er als Wachoffizier auf dem Küstenpanzerschiff SMS Ägir eingesetzt. Auf diesem wurde er am 9. April 1900 zum Oberleutnant zur See befördert. Als solcher wurde er dann ab dem 1. Mai 1900 als 2. Adjutant der I. Matrosendivision in Kiel eingesetzt. Danach folgte ab dem 23. Juli 1900 eine zweimonatige Phase in der er erneut als Wachoffizier auf dem Küstenpanzerschiff SMS Ägir eingesetzt wurde. Am 30. September 1900 wurde er zum 2. Adjutant der I. Marineinspektion ernannt. Am 1. Mai 1901 wechselte er dann als Erster Offizier auf den Aviso SMS Grille. Ab dem 1. Oktober 1901 wurde er dann für einen Monat als Wachoffizier auf dem Linienschiff SMS Kaiser Wilhelm der Große eingesetzt. Ab dem 1. November 1901 wurde er dann fast zwei Jahre als Wachoffizier auf dem Linienschiff SMS Kaiser Friedrich III eingesetzt. Am 19. Juni 1903 wurde er, u.a. gemeinsam mit den Kapitänleutnants Hans Seebohm, Theodor Püllen und Thilo von Throtha, für den 1. Oktober 1903 zu einem neunmonatigen Besuch (I. Cötus) an die Marineakademie kommandiert. Danach wurde er für 3 Monate zur Verfügung der Inspektion des Bildungswesens der Marine gestellt. Ab dem 1. Oktober 1904 folgte dann der zweite neunmonatige Aufenthalb auf der Marineakademie. Dabei wurde er am 21. März 1905 zum Kapitänleutnant befördert. Danach wurde er im Sommer zur Verfügung der I. Werftfivision gestellt. Während dieser Zeit nahm er Mitte Juli 1905 auf der SMS Grille an einer einwöchigen Admiralstabs-Übungsreise auf der Ostsee teil. Ab dem 1. Oktober 1905 wurde er für ein halbes Jahr als Navigationsoffizier an Bord des Küstenpanzerschiffs SMS Frithjof in der Ostsee und der Nordsee eingesetzt. Am 1. April 1906 wechselte er für zweieinhalb Jahre als Referent zum Nachrichtenbüro vom Reichsmarineamt. Ab dem 1. Oktober 1908 wurde er dann als Navigationsoffizier an Bord des Großen Kreuzers SMS Yorck versetzt. Mitte März 1909 wurde er zur Verfügung der I. Marineinspektion gestellt. Während dieser Zeit vnahm er Mitte Mai 1909 an Bord der SMS Grille wieder an einer einwöchigen Admiralstabsreise teil.Am 22. Juli 1909 wechselte er als Navigationsoffizier auf das Küstenpanzerschiff SMS Hildebrand. Mitte September 1909 kam er dann wieder zur I. Marineinspektion. Am 1. Oktober 1909 wurde er dann wieder als Navigationsoffizier an Bord des Großen Kreuzers SMS Yorck versetzt. Am 15. September 1910 wechselte er als Navigationsoffizier auf die Staatsyacht Hohenzollern. Im Frühjahr 1911 wurden italienische Häfen und die Insel Korfu angelaufen. Auf dieser Mittelmeerreise wurde er am 15. April 1911 zum Korvettenkapitän befördert. Im Zuge dieser beiden Jahre lernte er auch den deutschen Kaiser kennen, dem er eine starke Sympathie entgegen brachte. Am 1. Oktober 1912 wurde er als 1. Admiralstabsoffizier zum Befehlshaber der Aufklärungsschiffe versetzt. Diese Position begann er auf der SMS Yorck. Ab Mai 1913 wurde er in dieser Funktion auf der SMS Moltke eingesetzt. Ab dem 23. Juni 1914 wurde er dann als 1. Admiralstabsoffizier zum Befehlshaber der Aufklärungsschiffe auf dem Schlachtkreuzer SMS Seydlitz eingesetzt. Auch während des 1. Weltkrieges wurde er die ersten Jahre in dieser Funktion auf der SMS Seydlitz verwendet. Am 26. April 1917 wurde er zum Fregattenkapitän befördert. Am 14. Juni 1917 wurde er zum Chef des Stabes vom Befehlshaber der Aufklärungsschiffe ernannt. Mitte Januar 1918 wurde er dann mit der Indienststellung zum ersten Kommandant vom leichten Kreuzer SMS Cöln ernannt. Damit hat er im Krieg aber keine wesentlichen Einsätze mehr zu verzeichnen. Im Oktober 1918 übergab er sein Kommando Fregattenkapitän Ludwig Kaulhausen. Er selbst wurde dann zur Verfügung des Reichsmarineamtes gestellt. Anfang Dezember 1918 wurde er zum Chef der Zentralabteilung des Reichsmarineamtes ernannt. 1919 wurde er dadurch zum Chef der Zentralabteilung der Admiralität. Als solcher wurde er am 29. November 1919 zum Kapitän zur See befördert. Auch während des Kapp-Putsches war er noch bei der Admiralität. Ab dem 1. Juli 1920 wurde er dann als Dezernent in der Marineleitung eingesetzt. Er war dabei für das Marinearchiv im Einsatz. Er hatte sich bereits vorher mehrfach schriftstellerisch betätigt. Diesen Wechsel hat es aber vermutlich wegen der Beteiligung seines Chefs, Adolf von Trotha, am Kapp-Putsch gegeben. Am 20. Juli 1920 wurde er zum Inspekteur der Inspektion des Bildungswesens der Marine ernannt. Am 20. September 1920 hat er die 8 Jahre jüngere Erika Hindermann geheiratet. In erster Ehe war er vorher mit Augusta, geb. Schultz, verheiratet. Am 1. August 1922 wurde er zum Konteradmiral befördert. Mitte September 1924 wechselte er als Befehlshaber der leichten Seestreitkräfte der Nordsee auf den Kreuzer SMS Hamburg. Am 10. Januar 1925 wurde er dann zum Chef der Marinestation der Ostsee ernannt. In dieser Funktion wurde er am 10. September 1925 zum Vizeadmiral befördert. Am 31. Mai 1926 wurde ihm für sein Werk „Der Kreuzerkrieg in ausländischen Gewässern“ von der Christian-Albrecht Universität in Kiel die Ehrendoktorwürde der Philosophie erteilt. Am 1. Oktober 1928 wurde er unter gleichzeitiger Beförderung zum Admiral als Nachfolger von Admiral Hans Zenker zum Chef der Marineleitung ernannt. Er war in seiner politischen Einstellung monarchisch-konservativ, verhielt sich aber der jeweiligen Regierung gegenüber loyal, sowohl in der Weimarer Republik als auch im Nationalsozialismus. Er war der Auffassung, dass die Wehrmacht sich aus jeder Art Parteipolitik heraushalten und in einer „unbedingten Treue gegenüber dem Staat und seiner vom Volk gewählten Regierung“ stehen müsse. Im April 1931 entließ er den späteren Leiter des NS-Reichssicherheitshauptamtes, Reinhard Heydrich, wegen „ehrwidrigen Verhaltens“ aus der Marine. 1934 erhielt Raeder die Ehrenbürgerschaft der Stadt Kiel. Am 1. Juni 1935 wurde er während der Erweiterung zur Wehrmacht zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine ernannt. Am 20. April 1936 wurde er zum Generaladmiral ernannt. Bei der Einweihung des Marine-Ehrenmals in Laboe am 30. Mai 1936 grüßte Raeder als einziger der anwesenden Offiziere mit dem „Deutschen Gruß". Hitler verlieh Raeder anlässlich einer Gedenksitzung des Kabinetts zum Jahrestag der Machtergreifung am 30. Januar 1937 das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP. Anlässlich des „Heldengedenktags“ am 12. März 1939 bekannte sich Raeder erneut zum Nationalsozialismus: „Das deutsche Volk hat den aus dem Geiste des deutschen Frontsoldaten geborenen Nationalsozialismus zu seiner Weltanschauung gemacht und folgt den Symbolen seiner Wiedergeburt mit fanatischer Leidenschaft.“ Am 1. April 1939 wurde er feierlich auf dem Schlachtschiff Scharnhorst zum Großadmiral ernannt. Am 24. April 1941 erhielt er anlässlich seines 65. Geburtstags eine Dotation in Höhe von 250.000 Reichsmark. Am 6. Januar 1943 bat er Hitler als Reaktion auf dessen Konfrontation während der Lagebesprechung in der Wolfschanze um seinen Abschied. Am 14. Januar 1943 schlgu er auf Hitlers Wunsch schriftlich Generaladmiral Rolf Carls und Admiral Karl Dönitz als seine Nachfolger vor. Am 30. Januar 1943 wurde er verabschiedet und unter gleichzeitiger Beförderung wurde Großadmiral Karl Dönitz sein Nachfolger. Am 1. Februar 1943 wurde er zum Admiralinspekteur der Kriegsmarine érnannt. Diese Position war in der Marinehierarchie gar nicht vorgesehen, sie diente nur der Ehrenrettung des Großadmirals. Zum Zeitpunkt der Kapitulation befand er sich 1945 zur Behandlung in einem Krankenhaus in Potsdam-Babelsberg. Nach seiner Entlassung im Mai 1945 stellte er sich der sowjetischen Besatzungsmacht. Am 23. Juni 1945 wurde er zunächst verhaftet und in ein Gefängnis in Berlin-Lichtenberg gebracht. Im August 1945 wurden er mit seiner Ehefrau in die Sowjetunion geflogen und unter strengster Geheimhaltung in einem Landhaus in der Nähe Moskaus untergebracht. Dort wurden sie nicht wie andere deutsche Kriegsgefangene behandelt, sondern eher wie Gäste untergebracht wurden. Er verfasste mehrere Abhandlungen über die deutsche Marine. Am 17. Oktober 1945 wurde er wieder nach Berlin gebracht wurden und ins Justizgefängnis vom Nürnberger Militärgerichtshof überstellt. Er wurde im Hauptkriegsverbrecherprozess in den Anklagepunkten 1, 2 und 3 beschuldigt, und am 1. Oktober 1946 einstimmig schuldig gesprochen. Man verurteilte ihn zu lebenslanger Haft. Nach der Verkündung des Urteils bat er den Alliierten Kontrollrat darum, sein Urteil in Erschießung umzuwandeln, musste jedoch seine Strafe im Kriegsverbrechergefängnis Spandau antreten. Am 27. Dezember 1945 wurde ihm die Ehrenbürgerschaft der Stadt Kiel wieder aberkannt. Seine Frau wurde 1949 wieder aus der Gefangenschaft entlassen. Am 26. September 1955 wurde er aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen. Zunächst wohnte er mit seiner Frau und Tochter in Lippstadt, bevor er später wieder nach Kiel zog. Nachdem der Kieler Magistrat im März 1956 zu der Auffassung gelangt war, dass die Aberkennung seiner Ehrenbürgerrechte aus formalen Gründen unwirksam war, verzichtete er schriftlich auf die Ehrenbürgerschaft. 1957 veröffentlichte er unter dem Titel "Mein Leben" seine Memoiren, die überwiegend von dem ehemaligen Admiral Erich Förste geschrieben wurden. Diese sollten hauptsächlich auch der Rechtfertigung Raeders nach den Nürnberger Prozessen dienen. Er starb am 6. November 1960 in Kiel. Erich Raeder wurde in Kiel auf dem Nordfriedhof begraben. Seine Grabrede hielt Großadmiral Karl Dönitz auf Wunsch von Vizeadmiral Friedrich Ruge.

 

Ritterkreuz (30. September 1939)


Literatur und Quellen:

Hans H. Hildebrand: Deutschlands Admirale 1849–1945. Band 3: P–Z (Packroß bis Zuckschwerdt). Biblio Verlag, Osnabrück 1990
Großadmiral Erich Raeder - Mein Leben. 2 Bände: Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine 1935 - 1943. Lebenserinnerungen
Dieter Hartwig: Großadmiral Karl Dönitz. Legende und Wirklichkeit, Paderborn: Verlag 2010