Leichtgeschütze
Die Bezeichnung "Leichtgeschütze" wurde in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs für rückstoßfreie Geschütze verwendet. Bei solchen Geschützen traten als Gegengewicht zum Rückstoß der Granate am Ende des Geschützes Pulvergase aus, so daß der Rückstoß aufgehoben wurde. Daher konnte die Lafette der Waffe sehr leicht sein. Ein großer Nachteil dieser Geschütze war jedoch, daß die austretenden Pulvergase hinter dem Geschütz Staubwolken aufwirbelten, was die Stellung verriet. Die Geschütze kamen hauptsächlich bei den Fallschirmjägern oder den Gebirgstruppen zum Einsatz.
Die beiden in der Entwicklung von Geschützen
besonders erfahrenen Unternehmen Krupp in Essen und Rheinmetall in Düsseldorf
wurden von der Wehrmacht hierfür herangezogen. Die Entwicklungsarbeit zeigte
dann auch eine größere Zahl von Entwürfen und Prototypen LG 240 (Rh),
LG 290 (Rh), LG 310 (Rh), 7,5-cm-LG 1
(370) (Rh), 7,5-cm-LG 1 (300) (Kp). Die beiden
Prototypen des LG 1 von Krupp und Rheinmetall wurden schließlich
präsentiert und bewertet. Gleich war, dass beide Waffen mit abnehmbaren
Motorradrädern aus normaler Fertigung fahrbar gemacht werden sollten. Auch war
vorgesehen, dass ein Trupp von 4 Mann, das Geschütz in unebenem Gelände tragen
können sollte. Der Krupp Prototyp wurde als zu schwer und zu unhandlich
abgelehnt. Rheinmetall fertigte, nachdem man die Einwände der Prüfkommission
gegen deren ersten Prototypen gehört hatte, zügig ein neues Modell, welches
bereits stark dem später eingeführten Modell ähnelte.
Das dann 1940 als
7,5-cm Leichtgeschütz 1 eingeführte Geschütz wurde erstmals
bei der deutschen Luftlandung auf Kreta im Mai 1941 eingesetzt. Dabei traten
Mängel durch die nun zu leicht gebauten Lafette auf und die Nachteile einer
Patronenmunition wurden offensichtlich. Es war weitere Entwicklungsarbeit nötig.
Die gemachten Einsatzerfahrungen mit dem 7,5-cm-Leichtgeschütz 1 führten zum 7,5-cm-Leichtgeschütz
40, bei dem nun mit unterschiedlichen Ladungen in klassischer Weise die
Reichweite der Waffe beeinflussbar war. Auch wurde der zentrale Zündmechanismus
an die Seite der Geschosse verlegt, da der Schlagbolzen von den nach hinten
strömenden Gasen beim Abschuss des Leichtgeschütz 1 regelmäßig beschädigt wurde.
Die Rohrlänge einschließlich Abgasdüse betrug 1.150 mm. Die Waffe verschoß die
5,8 kg schwere 7,5-cm-Granate der Feldkanone und erreichte bei einer v0 von 345 m/Sek.
Schußweiten von bis zu 6.500 m. Später wurde auch noch eine Hohlladungsgranate zur
Panzerbekämpfung eingeführt. Die Version der Fallschirmjäger war aus Leichtmetall und
wog nur 175 kg.
Von insgesamt 450 Leichtgeschützen 40 wurden nur 170 direkt
bei Rheinmetall gefertigt, die restlichen 280 wurden von Dürkopp in Bielefeld
gebaut.
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2064: Bedienungsanleitung 7,5-cm Leichtgeschütze 40/1
Etwa zeitgleich mit der Entwicklung der
7,5-cm-Leichtgeschütze begann die Arbeit an verschiedenen Versionen einer
entsprechenden Waffe im Kaliber 10,5 cm. Erste Entwürfe, das 10,5-cm-LG
540 Rh und das 10,5-cm-LG 550 Kp mit hohen
Mündungsgeschwindigkeiten wurden abgelehnt. Man einigte sich auf Geschütze mit
einer Mündungsgeschwindigkeit von 350 m/s, den 10,5-cm-LG 350 Rh und 10,5-cm-LG
350 Kp. Ein wichtiger und erwähnenswerter Unterschied war, dass der
Rheinmetall-Entwurf eine Patronen-Munition vorsah, während Krupp von vorneherein
mit Geschoss und Hülsenkartusche arbeitete. Von diesem Zeitpunkt an wurden die
Geschütze, zur Abgrenzung gegenüber dem Kaliber 7,5-cm, als
10,5-cm-Leichtgeschütz 2 (Rh oder Kp dahinter).
Das
10,5-cm-Leichtgeschütz 2 (Kp) wurde Anfang 1941 bei der Fallschirmtruppe
eingeführt und so wurde es, in vier Lasten zu je 124 kg bis 189 kg zerlegt, im
Rahmen des Unternehmen Merkur, mit den Luftlandetruppen per Fallschirmabwurf und
in Lastenseglern eingesetzt. Innerhalb von zwei Minuten wurden sie dann wieder
zum feuerbereiten Geschütz zusammengebaut. Ein großer Nachteil der
Leichtgeschütze zeigte sich in dem nach hinten austretenden Gasstrahl, der die
Kanoniere gefährdete und dem Gegner die Stellung verriet. Auch die große
Staubwolke beim Abschuss war hinderlich und nicht zu verbergen, doch
unvermeidbar. Das Leuchten des Gasstrahls wurde später durch Zusätze zum
Treibladungspulver unterbunden.
Der Einsatz auf Kreta hatte gezeigt, dass
die Waffe für die Fallschirmtruppe geeignet war und doch einige Nachteile
gegenüber konventioneller Artillerie mit sich brachte. Man befand jedoch, dass
dies für die ansonsten ohne Artillerieausrüstung einzusetzende Fallschirmtruppe
akzeptabel war.
Nachdem Krupp den gesamten Auftrag über 100 Geschütze
bereits am 30. April 1941 ausgeliefert hatte, zeigte sich im direkten Vergleich,
dass die Rohre der Krupp-Geschütze denen von Rheinmetall (110 Geschütze waren
bestellt / 60 ausgeliefert) überlegen waren, woraufhin der Chef des Waffenamtes
nach einer Besprechung am 27. April 1941 anordnete, alle Geschütze mit den
Rohren von Krupp auszustatten. Die ersten gelieferten Geschütze von Rheinmetall
gingen zur Umrüstung auf das Krupp Rohr zurück ans Werk und wurden erst
beginnend Januar 1942 bis zum Oktober 1943 sukzessive ausgeliefert. Diese
Maßnahme ging mit einer Umbenennung der Geschütze einher, von nun an gab es das 10,5-cm-Leichtgeschütz 40,
gebaut von Krupp und das 10,5-cm-Leichtgeschütz 42,
gebaut von Rheinmetall. Krupp hatte zwischenzeitlich eine Änderung an der
eigenen Waffe vorgenommen. Für die Leistungsverbesserung der HL-Granaten wurde
der Enddrall der Waffe nochmals erhöht. Eine kleine Fertigungsserie von 13
nachgewiesenen Geschützen wurde scheinbar ohne offiziellen Auftrag gefertigt.
Dieses Geschütz erhielt angesichts der technischen Veränderung die Bezeichnung
10,5-cm-Leichtgeschütz 40/1. Die Geschütze wogen 435 kg, hatte
eine maximale Schußweite von 8.000 m bei 40° Rohrerhöhung, ein Seitenrichtfeld
von 2 x 40° und ein Höhenrichtfeld von -15° bis + 40°.
Die Materialnot der
späteren Kriegsjahre führte zu einer weiteren Änderung. Bisher waren viele der
Bauteile mit Leichtmetallen gefertigt worden, doch für einen weiteren
Fertigungsauftrag der auf einen Befehl von Hitler am 3. November 1943
zurückzuführen war und 200 neue Geschütze von beiden Firmen forderte, mussten
leichtmetallfreie Geschütze konstruiert werden. Diese erhielten die Folgenummern
10,5-cm-Leichtgeschütz 40/2 und 10,5-cm-Leichtgeschütz
42/1. Die Lebensdauer eines Rohres, das 14,74 oder 14,81 Kilogramm
schwere Geschosse verschoss, betrug ungefähr 10.000 Schuss. Das 10,5-cm
Leichtgeschütz 42/1 wog einschl. Zubehör 540 kg. Das Höhenrichtfeld betrug von
-15° bis +45°, das Seitenrichtfeld bei bis zu 12° Erhöhung 360°, bei über 12°
nur 70°. Die größte Schussweite betrug rund 8.000 m.
Das Geschütz war
entsprechend der Aufgabenstellung so gebaut, dass es in vier einzelnen Lasten
per Fallschirm abgeworfen werden konnte. Eine weitere Transportmöglichkeit war,
das Geschütz in Stahlrohrtransportbehältern unter den Rumpf eines Flugzeugs
anzuhängen oder in Lastenseglern zu transportieren. Das Leichtgeschütz 40 nach
der Entwicklung durch Krupp wurde später von Dürkopp in Bielefeld gebaut.
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2045/3: Bedienungsanleitung 10,5-cm Leichtgeschütz 40/1
Das Waffenamt erkannte nun, daß auch die Infanterie mit Leichtgeschützen ausgestattet werden konnte und forderte einen Neuentwurf mit einem Kaliber von 15 cm als Ersatz für das s.I.G.33.
Rheinmetall legte die Entwürfe L.G. 240 und L.G. 290 vor. Da bei dem ersten Muster nur eine Schußweite von 4.700 m erreicht wurde, wurde das zweite Muster als 15-cm-L.G. 42 eingeführt. Die Rohrlänge betrug 2.600 mm, das Gewicht 850 kg, und die 38 kg schwere Granate des s.I.G. wurde mittels einer 7,1 kg Treibladung mit einer v0 von 290 m/Sek. verfeuert und erreichte eine Schußweite von 6.500 m. Im Sommer 1944, kurz nachdem die Firma Dürkopp mit der Produktion dieser 15-cm-Waffe begonnen hatte, wurde die Fertigung von Leichtgeschützen eingestellt - der Pulververbrauch war zu hoch.
Ein Projekt blieb ein riesiges Leichtgeschütz, das mit einer 3-Achsenlafette 40.000 kg wiegen sollte. Daraus wollte man die »Rheinbote-Rakete« mit einer v0 von 250 m/Sek. verschießen. Man erhoffte sich dadurch eine erhebliche Pulvereinsparung und eine verbesserte Treffgenauigkeit. Der im Verhältnis zur Wirkung immer noch zu hohe Pulververbrauch führte dann doch zur Streichung des Projektes.
Die Produktion der 7,5-cm- und 10,5-cm-Leichtgeschütze und der dazugehörigen Munition:
Bezeichnung | 1940 | 1941 | 1942 | 1943 | 1944 | 1945 |
7,5-cm-Leichtgeschütz | 184 | 9 | 91 | 132 | 237 | - |
10,5-cm-Leichtgeschütz | - | 184 | 82 | 104 | 158 | - |
7,5-cm-L.G.-Granate | ? | 92.000 | - | - | 52.000 | - |
10,5-cm-L.G.-Granate | - | 30.000 | 206.400 | 118.000 | 98.000 | - |
Literatur und Quellen:
Karl R. Pawlas: Rückstoßfreie Geschütze. In: Waffen-Revue. Nr. 43, 44 und 45. Journal-Verlag Schwend GmbH, Schwäbisch Hall 1981 und 1982
Fritz Hahn: Waffen und Geheimwaffen des Deutschen Heeres, Nebel-Verlag 2015